Frankfurt Wer mit dem Unternehmer Achim Kammerer durch Europa jettet, fühlt sich wie ein Luxusreisender. Kammerer ist 43 Jahre alt, IT-Unternehmer, gebürtiger Karlsruher und vor allem – deswegen treffen wir uns – HON Circle Member. Er gehört seit vier Jahren zu jenem illustren Kreis von Lufthansa-Vielfliegern, um die sich viele Legenden ranken. Autor Christan Wermke war einen Tag lang mit Kammerer unterwegs.
Etwas schlaftrunken steige ich in den ICE 525. Ich bin kein Frühaufsteher, erst recht nicht an einem Samstag. Aber der Mann, mit dem ich an diesem Tag durch Europa jetten werde, fliegt nun mal kaum unter der Woche. Früher war er viel mehr geschäftlich unterwegs, heute steigt er meistens in der Freizeit ins Flugzeug. Wenn es geht, immer First Class. HON Circle Member – 12.000 soll es von ihnen nur geben, das ist zumindest die Schätzung in Vielfliegerkreisen.
Es sind Menschen, die fast das ganze Jahr im Flugzeug sitzen. Die mehr Nächte in Hotels verbringen als zu Hause. Die Zehntausende von Euro im Jahr beim Kranichkonzern lassen. Und die mal eben an einem Samstag von Frankfurt nach Wien nach Zürich nach Frankfurt fliegen.
7.33 Uhr, Frankfurt Flughafen Fernbahnhof
Der Zug kommt pünktlich am Frankfurter Flughafen an, keine Selbstverständlichkeit. Kammerer trippelt gerade die Treppe zum Gleis hinunter. Einen Tag vor unserer gemeinsamen Reise habe ich ihn nach dem Dresscode gefragt. „what???“, schrieb Kammerer nur zurück. Hätte ja sein können, dass er mit Jackett fliegt. Dass er sich besonders schick macht für die Luxus-Lounges.Er reise in Jeans und T-Shirt, schreibt Kammerer. „So was wie 'nen Anzug hab ich gar nicht (mehr).“
Da steht er nun vor mir, in beiger Stoffhose und blauem Kapuzenpulli, ausgetretenen Sneakers, das lange Haar zum Pferdeschwanz gebunden, selbst noch etwas verschlafen.
Erst am Abend zuvor ist er mit dem Auto aus der Heimat im Schwarzwald gekommen, hat hier im Hampton by Hilton geschlafen. Hilton Honors, das Treueprogramm der US-Hotelkette, ist Kammerers zweite Leidenschaft nach den Lufthansa-Meilen.
Bei Hilton hat er den Diamond-Status, bekommt also immer Upgrades, oft auf Suiten, dazu kostenloses Frühstück und viele weitere Annehmlichkeiten. Kammerer läuft voraus, er kennt sich aus hier am Flughafen, ist schon viele Male von Frankfurt aus geflogen.
7.44 Uhr, Frankfurt Flughafen, First-Class-Terminal
Nach einem kleinen Fußmarsch an der frischen Luft stehen wir vor einem grauen Betonklotz, auf den Fensterschreiben klebt der Lufthansa-Kranich, an der Fassade der Schriftzug „Lufthansa First Class“.
Kammerer war es wichtig, dass wir unseren gemeinsamen Trip von Frankfurt aus starten. Denn nur hier hat der Konzern seinen treuesten Kunden ein eigenes Terminal in den Boden gestampft, völlig losgelöst vom Rest des Airports.
In diesen Luxusbereich kommen nur Kunden mit einem First-Class-Ticket der Lufthansa-Gruppe – oder eben HONs wie Achim Kammerer, egal in welcher Buchungsklasse sie unterwegs sind. Netterweise samt Begleitperson, wenn sie auf demselben Flug unterwegs ist.
Der Eingangsbereich hier sieht nicht nach Flughafen aus, sondern eher nach Fünf-Sterne-Hotellobby. Eine Dame kommt uns entgegen, fragt nach den Namen, führt uns zur Sicherheitskontrolle. „Danke für den Service“, höre ich dort zum ersten Mal aus Kammerers Mund. Er wird diesen Satz noch mindestens 20-mal an diesem Tag sagen. Zu Flugbegleitern, Chauffeuren, Lounge-Mitarbeitern.
7.48 Uhr, First-Class-Terminal
Gleich hinter der Kontrolle steht eine Glasvitrine mit gelben Quietsche-Enten, einige mit Weihnachtsmütze, andere mit Krone oder Fußball. Kammerer hat unzählige davon zu Hause. Ich habe noch keine. Keine zwei Minuten – und die Lufthansa-Mitarbeiterin bringt uns jedem eine schwarze Ente, „First Class Terminal“ steht darauf, ein ziemlich exklusives Mitbringsel für meinen dreijährigen Sohn.
Dann führt Kammerer mich durch die geräumige Lounge. „Willkommen in meinem zweiten Wohnzimmer“, sagt er und zeigt mir die Arbeitsplätze, die Massagesessel, führt mich in den Teil, wo es sogar zwei Hotelzimmer gibt. Leider sind sie gerade belegt. „Da steht einfach nur ein Bett dahinter“, bemerkt Kammerer. Falls man zwischen zwei Flügen mal eine Mütze Schlaf braucht. Wir laufen vorbei an der gut bestückten Bar, allein 130 Sorten Whisky gibt es hier.
Dann setzen wir uns in den Restaurantbereich. Kammerer schaut sich kurz um. „Hier ist gerade HON-Frühstück“, sagt er.
Um diese Uhrzeit gehen nicht viele Langstreckenflüge mit First Class ab. Da sind die extremen Vielflieger fast unter sich. Das Büffet ist üppiger und edler, als ich es als Frequent Traveller aus den Massen-Lounges der Lufthansa kenne. Auf Wunsch werden Spiegeleier oder Rührei frisch zubereitet. Ein Mann am Nachbartisch bestellt ein Filetsteak, medium-rare. Nicht meins um diese Uhrzeit. Kammerer trinkt weder Kaffee noch Tee. Er bestellt Cola Zero, das Zeug kann er literweise trinken.
8.15 Uhr, First-Class-Terminal
In der Zwischenzeit hat uns die Dame vom Empfang unsere Bordkarten ausgedruckt. Drei Stück pro Person, allesamt Business Class. Kammerer hat die Flüge mit seinen Meilen gebucht, 75.000 hat er dafür locker gemacht. Als bezahltes Ticket hätte unsere absurde Flugkombination viel zu viel Geld gekostet. Im Gegenzug hat das Handelsblatt ihm die Steuern und Gebühren bezahlt, die bei einer Meilenbuchung anfallen.
Ohnehin fliegt Kammerer selten in der Holzklasse. Er bucht immer nur in der First. Gibt es keine First, fliegt er Business. Denn nur in den Luxusklassen kann er HON-Meilen sammeln. Und nur, wenn er 600.000 HON-Meilen in zwei Jahren sammelt, kann er die begehrte schwarze Karte behalten.
Kammerer liebt es, seine Routen zu „optimieren“, wie er das nennt. Er bucht sich keine First-Tickets für 5.000 oder 6.000 Euro, das sind gern mal die Standardpreise. Er schafft es regelmäßig, First für etwa 2.500 Euro zu buchen. Für den Preis ist er beispielsweise schon von Frankfurt nach San Francisco geflogen. Fliegt er in die USA, versucht er immer alles über San Francisco zu machen – „weil es die weiteste Strecke ist und die meisten Meilen gibt“.
Dafür nimmt Kammerer auch Umwege in Kauf. Nur wenige Reisende wissen, dass es günstiger ist, abseits der großen Drehkreuze seine Reise zu starten. Kammerer fliegt schon mal in Amsterdam oder Brüssel los und steigt mehrmals in Europa um, bevor es auf die Langstrecke geht. So spart er oftmals viele Tausend Euro.
9.23 Uhr, First-Class-Fuhrpark
Unser erster Flug hat seit drei Minuten Boarding, wir haben uns verquatscht. Kein Problem, einen HON lässt die Lufthansa nicht am Boden. Man führt uns ins Erdgeschoss, wo schwarze Limousinen warten. Im Porsche Cayenne werden wir übers Vorfeld gefahren, vorbei an großen und kleinen Fliegern. Am Gate A26, direkt vor der Austrian-Maschine, die uns gleich nach Wien fliegen soll, lässt uns der Fahrer aussteigen. Es gibt etwas Stau beim Einsteigen. Kammerer wartet ganz geduldig. „Es gibt viele HONs, die darauf bestehen, dass man sie an der Schlage vorbeiführt“, sagt unser Fahrer. Kammerer schüttelt nur den Kopf. „Das finde ich wirklich lächerlich.“
Natürlich genießt auch Kammerer die Annehmlichkeiten seines Status. Aber er ist niemand, der damit angeben will. Oder der sich besonders wichtig nimmt. Er versteht auch das Gemecker vieler Lufthansa-Vielflieger nicht, die sich über Lounges oder den Service beschweren. „Die Lounges in Deutschland sind schon sehr gut“, findet er. „Wer da meckert, sollte mal ab Charlotte oder Denver fliegen.“ Kammerer hat schon viele Airports und Städte gesehen. Sein Lieblingsziel ist Tokio, vier- oder fünfmal war er schon da, genau kann er das gar nicht mehr sagen.
09.45 Uhr, OS 122 Frankfurt-Wien
Kaum sitzen wir in der ersten Reihe, Kammerer auf 1C, ich auf 1A am Fenster, wird Kammerer von einer rot gekleideten Purserin angesprochen. „Guten Morgen Herr Kammerer“, sagt sie. HONs werden im Flieger persönlich begrüßt. „Sie fliegen ja mehr als wir“, meint die Dame und lächelt breit. „Nein“, antwortet Kammerer. „Ich bin eigentlich ein reiner Langstrecken-HON.“
Was er damit meint: Er macht etwa sieben bis zehn Langstrecken im Jahr, immer First. Das reicht ihm, um seinen HON-Status zu halten. Klar, einige innerdeutsche Eurowings-Flüge oder Europa-Strecken kommen für die Arbeit noch dazu, aber das war's. Er ist keiner der HONs, die für 24 Stunden nach Mumbai jetten und dann den nächsten Tag weiter nach Schanghai, von Meeting zu Meeting. Für Kammerer ist das Fliegen ein Hobby geworden.
Unser zweites Mahl des Tages wird in der Luft serviert. Spätzle mit Putengeschnetzeltem, dazu ein Schokokuss. Kammerer macht ein Foto von seinem Essen, das hat er sich so angewöhnt. Für ihn ist das luxuriöse Reisen noch immer etwas Besonderes, auch nach all den Jahren. Er nimmt es nicht als selbstverständlich hin. Auch Fliegen an sich fasziniert ihn noch immer, jedes Mal.
Schon zweimal durfte er im Cockpit mitfliegen. Einmal sogar auf der Langstrecke, in einer Boeing 777 von Swiss. Der Kapitän erkannte ihn, weil sie sich Monate zuvor schon mal auf einem Flug gut unterhalten hatten. Prompt bat er ihn ins Cockpit. „Das sind Erlebnisse, die kannst du nicht bezahlen“, schwärmt Kammerer.
11.32 Uhr, Austrian HON-Lounge, Flughafen Wien
Wir laufen in Richtung Lounge. Auf dem Weg erblickt Kammerer den Stand einer Kreditkartenfirma. „Das ist der Vorteil, wenn man so wie ich rumläuft“, sagt er. „Niemand spricht einen an und will einem was andrehen.“ Er lacht. Im Schengen-Bereich des Wiener Flughafens liegen gleich drei Lounges nebeneinander: eine für Business-Reisende, eine Senator-Lounge für Inhaber des zweithöchsten Lufthansa-Status (auch wer beim Airline-Bündnis Star Alliance eine Goldkarte besitzt, darf hier rein). Und die kleine, aber feine HON-Lounge.
Als wir sie betreten, ist sie komplett leer. Das Büffet ist trotzdem frisch aufgefüllt. Es gibt zwei Hauptspeisen, Salate, Vorspeisen, einen Kühlschrank mit Schampus und sechs Biersorten. Wenn er normalerweise in Lounges sitzt (und nicht im Dauerinterview steckt), liest Kammerer gern Nachrichten oder spielt auf seinem iPad. Er ist niemand, der viel mit anderen Gästen spricht. Nur mit dem Personal wechselt er gern ein paar Worte.
Zum Luxus-Fliegen kam er einst über seinen Job. Seit 1996 ist Kammerer SAP-Berater. „Ich kann nichts anderes“, sagt er. Er hat keine Ausbildung, kein Studium, aber er kann gut beraten. Erst schlägt er sich als Freiberufler durch, lässt sich dann anderthalb Jahre anstellen. Am 1. Januar 2000, die Blase der New Economy ist gerade geplatzt, gründet er seine erste Firma. KAMMACHI heißt sie, wie sein damaliger SAP-Nutzername. 140 Mitarbeiter beschäftigt er in der Firmengruppe, die vor allem Bauunternehmen und das Baunebengewerbe in Sachen IT berät. „Wenige Branchen sind so im Wandel wie die Baubranche“, sagt Kammerer.
2007 musste er das erste Mal beruflich nach Denver. Gebucht in der Economy, einen Status hatte er damals noch nicht. Die A5 von Karlsruhe Richtung Frankfurt war vollgesperrt, Kammerer verpasste seinen Flug. Er buchte um, es gab nur noch ein Business-Ticket, unwesentlich teurer. Kammerer kam auf den Geschmack, wurde wenig später Senator bei der Lufthansa.
Dann betreute er drei Jahre lang ein VW-Projekt in São Paulo. 20-mal war er in dieser Zeit in Brasilien, geflogen ist er immer First – dank kleiner Umwege oft zu Business-Preisen. First, das ist für ihn purer Luxus. „Da sitzt man nicht mit 90 Leuten in der Business wie etwa im Airbus A380“, sagt er.
13.30 Uhr, Austrian HON-Lounge, Flughafen Wien
Unser Flug nach Zürich verspätet sich. Also machen wir doch eine kleine Mittagspause. Wir teilen uns ein Stück gegrillten Lachs, dazu Wasabipüree und Gemüse aus dem Wok. Kammerer macht es sich in einem Ledersessel bequem und erzählt, wie er im Alltag überall Meilen sammelt. Als HON bekommt er eine kostenlose Lufthansa-Kreditkarte, jeder ausgegebene Euro bringt eine halbe Meile. Obendrein sammelt er Payback-Punkte, die sich 1:1 in Lufthansa-Meilen umwandeln lassen. Dazu kommen die Flüge, Meilenaktionen bei Hilton, wo er um die 150 Nächte pro Jahr schläft. Summa summarum hat er aktuell 1,1 Millionen Lufthansa-Meilen auf seinem Miles & More-Konto.
Fliegen ist für Kammerer eine Leidenschaft. Klar, eine ziemlich teure, aber sonst hat er auch kaum Hobbys. Außer Volleyball. Kammerer ist Manager des Bundesligisten aus Bühl – eine Stadt zwischen Straßburg und Karlsruhe, nicht weit von Baden-Baden. Als kaufmännischer Geschäftsführer will er bei jedem Spiel dabei sein. Daher fliegt er auch kaum von Oktober bis März – dann ist Saison in der Halle. Ansonsten gehe er nicht permanent teuer essen, gebe auch anderweitig nicht viel Geld aus. Er lebt direkt im Loft über seiner Firma, Blick über den Schwarzwald. Zum Büro sind es zur zwei Treppen nach unten, auch ein ziemlicher Luxus.
Wir sitzen jetzt fast vier Stunden in der Lounge. Zwischendurch sind drei Besucher gekommen und wieder gegangen. Trotzdem werden alle Speisen warm gehalten und nachgefüllt. „Den Großteil werfen die hier weg“, sagt Kammerer. Das findet er nicht gut. „Warum verarbeiten die das nicht einfach in den anderen Lounges weiter?“, fragt er sich.
16.41 Uhr, LX 1597, Wien-Zürich
Wir rollen zum zweiten Mal in Richtung Startbahn. Kammerer schaut aus dem Fenster. Flugangst hat er keine. „Aber beim Starten ist mir immer etwas unwohl“, sagt er. Meist bekommt er das aber gar nicht mehr mit – er schläft schon oft direkt nach dem Boarding ein. Er fühlt sich nicht richtig unsicher, aber ein mulmiges Gefühl bleibt. „Auch Landen bräuchte ich nicht unbedingt.“
Ich merke langsam, dass ich vor dieser sehr speziellen Dienstreise hätte fasten sollen. Wir sitzen im nächsten Flieger – und essen schon wieder. Bei Swiss ist es noch leckerer. Der Flug dauert nur 30 Minuten, trotzdem werden drei kleine Köstlichkeiten serviert: eine Zwiebelquiche, ein Quinoa-Salat, eine Schoko-Mousse. Kammerer: 2D. Wermke: 2F. Daran kann man sich gewöhnen.
Kammerer investiert viel Zeit in seine Reiseplanung. Es kann schon mal drei Stunden dauern, bis er in der Flugmatrix die richtigen Zubringer gefunden hat. Er hat Spaß daran, an den Routen zu feilen, die Kosten zu drücken. „Wer sehr optimiert fliegt, kann den HON-Status mit 40.000 Euro locker einfliegen“, sagt Kammerer. Aber darum geht es ihm nicht. Er will das Reisen genießen – und gleichzeitig die optimale Meilenausbeute bekommen. Er schaut genau, welche Buchungsklassen sich mehr lohnen, wo es die meisten Entfernungsmeilen gibt.
„Natürlich sind 1.800 Euro für einen Business-Class-Flug von Zürich nach New York gut“, sagt Kammerer. Aber wenn dann die Buchungsklasse P nur 100 Prozent der Entfernungsmeilen gebe, ist ihm das zu wenig. Da zahlt er lieber 100 Euro mehr, nimmt den Umweg über Warschau mit LOT – und bekommt die doppelten Meilen. „Die Relation von Meilen zu Preis ist sehr wichtig“, sagt Kammerer, Vielflieger sprechen von der Meilenratio.
Im Landeanflug fliegen wir an einer Sandgrube vorbei. „Steine, Kies, Beton, damit haben wir damals angefangen“, sagt Kammerer. Auch zu seinen Kunden gehe er übrigens in T-Shirt und Jeans. „Ein Poloshirt ist das Höchste der Gefühle.“ Wobei man heutzutage selbst mit Pferdeschwanz ernst genommen werde, erzählt er. Das sei früher noch anders gewesen.
Dann wird Kammerer nachdenklich. Natürlich fragt er sich manchmal auch, ob der ganze Aufwand sich lohnt. Ob es das viele Geld wert ist, das er in den Status steckt. Er denkt dann auch an seine CO2-Bilanz, seinen ökologischen Fußabdruck. Ewig kann man das alles nicht machen, das weiß auch er. Aber er will noch so viele Städte und Länder sehen, Hawaii und Australien sind ganz oben auf seiner Liste. Noch macht ihm das Luxus-Vielfliegen zu viel Spaß. Auch in diesem Jahr wird er seinen Status daher verlängern.
17.33 Uhr, Swiss-First-Lounge, Flughafen Zürich
Kammerer betritt die HON-Lounge in Zürich. Er schiebt der Frau hinter dem Tresen seine Bordkarte rüber. „Sie haben ein Business-Class-Ticket, da müssen Sie bitte in die Business-Lounge“, sagt sie. Obwohl das Kürzel „HON“ zweimal auf die Bordkarte gedruckt ist, scheint die Dame es zu übersehen. Kammerer zückt sein Portemonnaie, holt die schwarze Karte heraus. „Die hab‘ ich auch noch. Bringt das was?“, fragt er und lächelt verschmitzt. Die Dame entschuldigt sich. Den Spaß hat er sich schon öfter erlaubt.
Eigentlich wollte Kammerer mir die Lounge im Satellitenterminal E zeigen, von wo aus die Langstreckenflüge starten. Dort betreibt Swiss gleich zwei Restaurants und wartet mit 1.000 verschiedenen Flaschen Wein aus aller Welt auf. Aber wir haben wegen der Verspätung zu wenig Zeit – und bleiben im A-Bereich des Terminals.
Die Räume hier sind gerade frisch renoviert, es ist gemütlich, viel Holz, warmes Licht. „Jetzt kommt das Highlight, auf das ich mich schon den ganzen Tag freue“, sagt Kammerer – und bestellt für uns zweimal das Rinder-Tartar. Die Ankündigung war nicht übertrieben, es schmeckt vorzüglich. Als Hauptgang wird uns ein asiatisch inspirierter Burger kredenzt, mit Kimchi-Kohl und Zitronengras-Mayonnaise. Eigentlich geht schon jetzt nichts mehr rein, aber das Dessert („Variation von Schokolade und Orange“) müssen wir probieren.
Für Kammerer ist es ein ungewohnter Trip. Oft reist er allein. Nur bei den Langstrecken ist ab und an mal seine Freundin mit dabei. Sie lebt in Berlin, seit Jahren führen sie eine Fernbeziehung. Im vergangenen Jahr haben sich die beiden etwa 70 Tage gesehen, 60 davon auf Reisen.
19.36 Uhr, Swiss-First-Fuhrpark, Flughafen Zürich
Unser Flugzeug, eine Bombardier CRJ900 von Lufthansa Cityline, steht auf einer Außenposition. Daher kommen wir noch einmal in den Genuss des Limousinenservices. Eine Fahrerin mit gelber Swiss-Warnweste bringt uns in einer schwarzen S-Klasse zum letzten Flug des Tages.
Parkservice, Limo-Shuttle, First-Lounges. Natürlich gewöhne man sich schnell an all die Annehmlichkeiten, sagt Kammerer. „Ich muss mich dann selbst immer wieder auf den Boden holen, mir immer wieder sagen, dass so zu reisen etwas Besonderes ist.“
20.11 Uhr, LH 1199, Zürich-Frankfurt
„Beim Fliegen kann ich total entspannen und abschalten“, sagt Kammerer irgendwann im Laufe des Tages. Das sehe ich jetzt. Er schläft fast den ganzen Flug auf 3A, den Kopf in seiner Kapuze versteckt. Er bekommt nicht mit, wie ich auf 3D noch eine Frikadelle mit Grillgemüse und ein Schälchen Panna Cotta verdrücke. Wie das noch reingeht, weiß ich nicht. Aber wenn ich das nächste Mal im Basic-Tarif von Eurowings sitze, werde ich mich mit Sicherheit an den Schmaus erinnern.
21.06 Uhr, Frankfurt Flughafen
Auch am Frankfurter Flughafen kann die kleine Maschine nicht am „Finger“ andocken. Auf die Passagiere wartet schon ein Bus, auf uns ein schwarzer Mercedes Vito. Diesmal müssen wir uns den Shuttle mit zwei anderen Passagieren teilen, ein HON aus der Schweiz ist mit dabei.
Im Flughafen angekommen, läuft Kammerer zu einer grauen Säule vom Autovermieter Sixt. Er ist am Morgen mit seinem Audi lediglich vor das First-Class-Terminal vorgefahren, Sixt hat ihm den Wagen im Parkhaus abgestellt und einen Code auf sein Smartphone geschickt, mit dem er jetzt wieder an seinen Schlüssel rankommt. Der Valet-Service kostet nichts, Kammerer muss nur die normalen Parkgebühren bezahlen.
Wir verabschieden uns. Kammerer muss jetzt noch nach Bühl zurück, ich fahre wieder mit dem Zug. Immerhin ist meine Rückfahrt standesgemäß: Die Bahn hat gerade Super-Sparpreise für die erste Klasse im Angebot, günstiger als in der zweiten. Mein absurder Tages-Luxus-Trip, er hält also noch knapp eine Stunde und 15 Minuten an.